Gesundheitsfragen in der PKV, BU und RLV - Die Folgen einer Falschbeantwortung.

Wenn du auf der Suche nach einer privaten Einkommensabsicherung, Krankenversicherung oder Risikolebensversicherung bist, wirst du früher oder später an den Gesundheitsfragen nicht vorbeikommen. Weil wir in unserem Berufsalltag häufig hören und bemerken, dass die Gesundheitsfragen und ihre Bedeutung nicht so Ernst genommen werden, möchten wir dich für dieses Thema sensibilisieren. In diesem Artikel klären wir drei Mythen auf, die bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen immer wieder auftauchen. Außerdem zeigen wir die Auswirkungen einer Falschbeantwortung auf. Hierbei gehen wir auf die rechtlichen Konsequenzen ein und stellen euch am Ende eine eine vereinfachte Übersicht zur Verfügung.

 

So kannst du als Bestandskunde entschieden, wie du mit einer möglichen begangenen Falschbeantwortung umgehst und als Neukunde verstehen, warum du bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen große Sorgfalt an den Tag legen solltest.

 

Wir möchten darauf hinweisen, dass beim Vereinfachen von komplizierten Inhalten immer Lücken bleiben können und wir keine Rechtsanwälte sind. Wir berichten über unsere Berufspraxis und unsere Erfahrungen und erstellen unsere Artikel mit größter Sorgfalt. Für die Richtigkeit der Angaben übernehmen wir keine Haftung.


Einführung in das Thema

  • Bei allen Versicherungen rund um Leben, Krankheit und Arbeitskraft spielen Gesundheitsfragen eine entscheidende Rolle im Antragsprozess

  • Die Fragen beziehen sich hauptsächlich auf die letzten 5-10 Jahre vor Antragsstellung, aber auch dauerhafte Folgen von Erkrankungen oder Unfällen werden abgefragt.

  • Anhand deiner Antworten auf die Gesundheitsfragen schätzt der Versicherer ein, wie hoch das Risiko ist, dich zu versichern.

  • Er kann deinen Antrag zu normalen Bedingungen annehmen oder dir Versicherungsschutz mit einem Risikozuschlag oder Ausschluss anbieten. Auch ablehnen kann der Versicherer deinen Antrag.

  • Bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen können zahlreiche Fehler gemacht werden. Wir empfehlen daher dringend die  Krankenakte anzufordern und die Gesundheitsfragen mit großer Sorgfalt auszufüllen (Hier Artikel zur Krankenakte verlinken)

3 Mythen bei den Gesundheitsfragen

Mythos I

"Wenn der Versicherer meinen Antrag annimmt, dann kann mir nichts mehr passieren."

Das ist nicht der Fall. Der Versicherer prüft im Antragsverfahren nicht, ob du alle Gesundheitsfragen korrekt beantwortet hast. Er prüft lediglich die mit JA beantworteten Fragen und fordert hierzu eventuell Arztberichte an. Damit kalkuliert er aber nur das Risiko dich zu versichern. Hast du im Antrag Fragen verneint, prüft der Versicherer hier jedoch nicht weiter nach.  Kommt es aber innerhalb der ersten 10 Jahre nach Vertragsschluss zu einem Leistungsfall, hat der Versicherer laut Versicherungsvertragsgesetz verschiedene Rechte. Er wird von seinen Rechten auf Rücktritt, Anfechtung, Kündigung oder Vertragsänderung Gebrauch machen. 


Mythos II

"An was ich mich nicht mehr erinnere, muss ich auch nicht angeben"

Du musst auf jeden Fall all das angeben, wonach dich der Versicherer fragt. Hierbei solltest du gewissenhaft und sorgfältig vorgehen. Dass du dich nicht mehr erinnert hast, wird im Leistungsfall nicht zählen. Du hättest deinen Arzt fragen können oder deine Unterlagen einsehen können. Der Versicherer könnte dir im Leistungsfall mangelnde Sorgfalt vorwerfen oder dir sogar grob fahrlässiges oder sogar bewusstes Verschweigen unterstellen. Schließlich würdest du den Versicherungsschutz nicht erhalten oder vielleicht mehr bezahlen, wenn du alle Diagnosen und Behandlungen angibst. Die Rechte stehen dem Versicherer also auch zu, um das gesamte Kollektiv vor falschen Leistungsfällen zu schützen, die den Beitrag für alle Versicherten erhöhen würden. 


Mythos III

"Das kann der Versicherer nicht erfahren, zu dem Arzt gehe ich nicht mehr"

Der Versicherer kann bei der Prüfung im Leistungsfall sehr erfinderisch werden. Er fordert zum Beispiel bei der Krankenkasse deine Krankenakte an. In der Krankenakte sind auch vergangene Arztbesuche dokumentiert. Die Ärzte könnten vom Versicherer befragt werden.  Auch bei PKV Patienten können die Ärzte oder der Krankenversicherer zu Rate gezogen werden. Wenn du mit einer Diagnose nicht zufrieden bist und deswegen den Arzt wechselst, solltest du vor Antragsstellung mit dem Arzt ins Gespräch kommen oder eine Zweitmeinung dokumentieren lassen.

 

Fordere am besten deine Krankenakte oder die Unterlagen vom Arzt an, bevor du die Gesundheitsfragen ausfüllt. 


DU bist auf die Mythen reingefallen?

Warum du deinen Bestandsvertrag trotzdem nicht kündigen musst?

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Was ist die Anzeigepflicht?

"Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet." 

§19 Abs. 1 VVG

Du bist rechtlich verpflichtet alle Fragen wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten, die der Versicherer dir bis zur Annahme des Vertrages stellt. Auf diese Fragen musst du außerdem nur, die dir bekannten Gefahrumstände angeben. Wenn du also von Diagnosen nichts weißt, müsstest du ja eigentlich auf der sicheren Seite sein - doch weit gefehlt! Von jedem Erwachsenen kann eine gewisse Sorgfalt im Umgang mit den eigenen Gesundheitsdaten erwartet werden. So ist davon auszugehen, dass du deine Unterlagen vom Arzt regelmäßig abheftest und einen Gesundheitszustand, sowie bestehende Krankheiten und Behandlungen kennst.

 

Du musst allerdings wirklich nur das angeben, wonach der Versicherer dich ausdrücklich in Texform fragt. Hat zum Beispiel der Berufsunfähigkeitsversicherer nicht gefragt, ob du Raucher bist, musst du es auch nicht angeben. Hieraus können sich für dich keine weiteren Folgen ergeben. Eine Anzeigepflichtsverletzung ist es nur, wenn erfragte Umstände verschwiegen oder unwahr angegeben wurden.

Die Folgen einer Anzeigepflichtsverletzung

Anfechtung


"Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten."

§ 123 Abs. 1 BGB

Hast du den Versicherer bei Abschluss des Vertrages arglistig getäuscht, kann der Versicherer von seinem Recht auf Anfechtung nach § 22 VVG und dem § 123 Abs 1. BGB Gebrauch machen. Allerdings beinhaltet Arglist noch mehr Voraussetzungen, als der Vorsatz und ist daher besonders schwer nachweisbar. Die Beweislast liegt hier zudem beim Versicherer. Somit spielt die Anfechtung in der Praxis eine nicht so große Rolle. Der Versicherer muss dir nachweisen, dass du ihn bewusst getäuscht hast, um dir einen Vorteil zu verschaffen.

 

Eine Vertragsanfechtung ist innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt zu erklären, an dem der Versicherer die Täuschung bemerkt hat. Mit einer Anfechtung wird der Vertrag nichtig und der Versicherer ist leistungsfrei. Es gibt keinerlei Ausnahmen. Der Beitrag steht dem Versicherer dennoch bis zum Wirksamwerden der Anfechtungserklärung zu (§ 39 Ab. 1 VVG).

 

Das Anfechtungsrecht erlöscht 10 Jahre nach Abgabe der Willenserklärung.

Rücktritt


"Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.  

§19 Abs. 2 VVG

Hast du bei Abschluss der Vertrages vorsätzlich oder grob fahrlässig gelogen oder etwas verschwiegen, nach dem gefragt wurde, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten. Beim Rücktrittsrecht muss der Versicherer nicht zwingend Vorsatz nachweisen. Es reicht auch, wenn er beweisen kann, dass du grob fahrlässig gehandelt hast. Das wäre schon der Fall, wenn du ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt hast, die jedem in der Situation eingeleuchtet hätten

 

Der Rücktritts ist innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt zu erklären, an dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht erfahren hat. Macht der Versicherer von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch, wird der Vertrag rückabgewickelt. Der Beitrag steht dem Versicherer dennoch bis zum Wirksamwerden der Rücktrittserklärung zu (§ 39 Ab. 1 VVG). Bezüglich der Leistungspflicht gibt es allerdings ein paar Ausnahmen. Der Versicherer ist nicht automatisch leistungsfrei.

 

Das Rücktrittsrecht wegen Vorsatz erlischt 10 Jahre nach Vertragsschluss, wegen grober Fahrlässigkeit nach 5 Jahren.

Ausnahme:

LEISTUNGSPFLICHT TROTZ RÜCKTRITT


"Im Fall eines Rücktrittes nach § 19 Abs. 2 nach Eintritt des Versicherungsfalles ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, es sei denn, die Verletzung der Anzeigepflicht bezieht sich auf einen Umstand, der weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich ist. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht arglistig verletzt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet."

§ 21 Abs. 2 VVG

Wenn du die Anzeigepflicht arglistig verletzt hast, spielt auch diese Ausnahmen keine Rolle.  Der Versicherer kann den Vertrag anfechten und ist nicht zur Leistung verpflichtet.  

 

Wenn dir der Versicherer aber den Rücktritt erklärt, ist er unter Umständern weiterhin zur Leistung verpflichtet. Hier geht es um die Kausalität. Ist der nicht richtig angegebene Umstand weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles, noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich, muss der Versicherer zahlen. Hast du zum Beispiel eine psychische Erkrankung im Antrag grob fahrlässig nicht angegeben und wirst wegen der Folgen daraus berufsunfähig, besteht eindeutig eine Kausalität. In dem Fall hat der Versicherer ein Rücktrittsrecht und ist leistungsfrei. Wirst du aber nicht wegen der psychischen Erkrankung berufsunfähig, sondern weil du einen schweren Unfall oder eine Krebserkrankung hast, besteht zu der psychischen Krankheit von damals wahrscheinlich keine Kausalität. Der Versicherer ist dann, trotz Rücktritts, leistungspflichtig für diesen Versicherungsfall. 

 

Den Nachweis hierfür musst du führen und den Kausalitätsgegenbeweis erbringen.

Kündigung


"Das Rücktrittsrecht des Versicherers ist ausgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat. In diesem Fall hat der Versicherer das Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zu kündigen"

§19 Abs 3 VVG

Hast du bei den Gesundheitsfragen lediglich einfach fahrlässig etwas verschwiegen oder die Anzeigepflichtsverletzung gar nicht zu vertreten, hat der Versicherer kein Rücktrittsrecht. Hier trifft aber dich die Beweislast. Du musst nachweisen, dass du weder arglistig noch vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hast. Gelingt dir das, kann der Versicherer nicht von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen. Aber er kann den Vertrag unter Umständen kündigen

 

Die Kündigung ist innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt zu erklären, ab dem der Versicherer von der Verletzung der Anzeigepflicht erfahren hat. Macht der Versicherer von einem Kündigungsrecht Gebrauch, wird der Vertrag für die Zukunft aufgehobenFür die Vergangenheit bleibt das Vertragsverhältnis bestehen.

 

Das Kündigungsrecht erlischt 5 Jahre nach Vertragsschluss.

Ausnahme:

Keine Kündigung und Keine rücktritt


"Das Rücktrittsrecht des Versicherers wegen grob fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht und sein Kündigungsrecht nach Absatz 3 Satz 2 sind ausgeschlossen, wenn er den Vertrag auch bei Kenntnis der nicht angezeigten Umstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen hätte. Die anderen Bedingungen werden auf Verlangen des Versicherers rückwirkend, bei einer vom Versicherungsnehmer nicht zu vertretenden Pflichtverletzung ab der laufenden Versicherungsperiode Vertragsbestandteil."
§ 19 Abs. 4 VVG

Wenn du die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt hast, spielt diese Ausnahmen keine Rolle.  Der Versicherer kann vom Vertrag zurücktreten oder den Vertrag anfechten. In allen anderen Fällen - etwa bei grober oder einfacher fahrlässiger Verletzung der Anzeigepflicht - hat der Versicherer kein Rücktritts- und Kündigungsrecht, wenn er den Antrag auch mit Kenntnis der nicht angegebenen Diagnose angenommen hätte.

 

Hier trifft die Beweislast allerdings wieder dich. Hast du nur ein Schnupfen oder eine einmalige Magen-Darm Grippe verschwiegen und kannst du nachweisen, dass der Versicherer den Antrag auch mit dessen Kenntnis zu normalen Bedingungen angenommen hätte, kann der Versicherer weder kündigen, noch zurücktreten. Er muss den Vertrag vielmehr zu gleichen Bedingungen weiterführen. Kannst du nachweisen, dass die verschwiegene Diagnose lediglich zu einem Ausschluss oder einem Risikozuschlag geführt hätte, darf der Versicherer den Vertrag dementsprechend anpassen. Hast du eine einfache oder grob fahrlässige Anzeigepflichtsverletzung begangen, wird die Vertragsänderung rückwirkend zum Vertragsbestandteil. Hattest du die Anzeigepflichtsverletzung gar nicht zu vertreten, wird die Vertragsänderung zur nächsten Vertragsperiode wirksam. Auch hier bist du in der Beweispflicht.

Zusammenfassung

Was Passiert, wenn du die Anzeigepflichtsverletzung:


1. nicht zu vertreten hast

Mehr

2. einfach fahrlässig begangen hast

Mehr

3. grob fahrlässig begangen hast

Mehr

4. vorsätzlich begangen hast

Mehr

5. arglistig begangen hast

Mehr

 Wir hoffen, dass dir der Artikel weiterhelfen konnte und freuen uns auf dein Feedback und deine Fragen.

Aylin & Sophie


Wir möchten nochmal darauf hinweisen, dass beim Vereinfachen von komplizierten Inhalten immer Lücken bleiben können und wir keine Rechtsanwälte sind. Wir berichten über unsere Berufspraxis und unsere Erfahrungen und erstellen unsere Artikel mit größter Sorgfalt. Für die Richtigkeit der Angaben übernehmen wir keine Haftung. Wenn du Rechtsanwalt, Versicherungsvermittler oder Versicherunsberater bist und eine Information bemerkt hast, die nicht der Richtigkeit entspricht, freuen wir uns über einen Hinweis. Wir werden die Änderung umgehend umsetzen.

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